© Ina und Joachim Krüger, Keel, Achill Island
Irish Christmas smell
Bei unseren Freunden im Haus roch es „zwischen den Jahren“ nach Torffeuer, frisch
gebackenen Scones und Vanilleduftkerzen. Es roch weihnachtlich.
Bei uns hingegen roch es ... interessant.
Eine Duftmischung aus totem Fisch, lange nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums, brackigem
Hafenwasser und faulendem Tang waberte durchs Haus.
Ursache dafür war Belle. Ja, Belle war schön mit ihren Kulleraugen, ihrem Flauschfell und
ihren Tupfen. An den Ausdünstungen könnte sie durchaus noch arbeiten. Aber das ist sicher
Ansichtssache, ein gestandener Kegelrobbenherr wäre ihrem Parfum wahrscheinlich nicht
abgeneigt.
Belle fanden wir am Strand von Keem, wo sie verwundet, abgemagert und geschwächt im
Sand kauerte. Angesichts der nicht vorhandenen Handyverbindung, der herannahenden Flut,
selfiewütigen Touristen und frechen Hunden zögerte ich nicht lange und warf ihr meine Jacke
über den Kopf.
Kegelrobben sind schlecht im Rückwärtsgang, besonders mit verhüllten Augen.
Auf diese Weise ruhig gestellt, wickelten wir sie in eine Decke und trugen sie zum Auto.
Während der Heimfahrt flutete Belle ungeniert den Kofferraum mit einem Panik-Robbenpipi.
Zu Haus setzen wir sie in unsere Badewanne und informierten die seal rescue.
Zunächst verkürzte Belle sich die Wartezeit damit, in der Badewanne ordentlich Randale zu
machen und alle möglichen Liegepositionen auszuprobieren.
Unsere helfenden Hände nahm sie gerne – am liebsten zwischen ihre Milchzähnchen. Sie
verstand natürlich nicht, dass ihr geholfen wurde, sie fauchte und fletschte. Wir nahmen uns
in acht, denn auch das Milchgebiss ist scharf.
Unerwartet schnell organisierte die seal rescue eine Fahrkette von Achill bis Wexford, einmal
quer durch Irland.
Belle wurde in einer Fischkiste abgeholt.
Am nächsten Tag erfuhren wir, dass sie auf dem Weg der Besserung sei.
Noch Tage danach erinnerte ein zarter fischiger Duft uns an unseren niedlichen Gast.
Bei dieser Gelegenheit möchten wir den freiwilligen Helfern der seal rescue unsere
Hochachtung aussprechen.
Ehrenamtlich und mittels Spendengeldern werden jedes Jahr unzählige Seehundkinder
medizinisch versorgt und bis zur Auswilderung aufgepäppelt.
Die grey seals, die Kegelrobben, bekommen ihre Jungen zwischen Oktober und Dezember.
Zwei Wochen lang liegen die Kleinen mit ihrem weißen Plüschfell an Land, dann wechseln
sie das Fell und müssen sich im Wasser durchschlagen, während die erwachsenen Tiere
sich bereits wieder paaren.
Meistens müssen die Jungen in dieser Zeit die heftigen Winterstürme überstehen, wodurch
die ungeübten und noch nicht ausdauernden Schwimmer in Schwierigkeiten geraten können
und oft ihre Mütter verlieren.
Da das Meer ziemlich leer gefischt ist, finden sie kaum Nahrung und retten sich abgemagert,
geschwächt, mit Verletzungen und Infektionen an Strände.
Auch in diesem Zustand sind die scheuen Tiere wachsam und verschwinden im Meer, sobald
sich ein Mensch oder Hund nähert.
So ist es schwierig, sie einzufangen.
Am besten informiert man die seal rescue, nähert sich dem Tier nicht und bittet auch andere
Strandbesucher um Distanz.
Die Tiere selbst einzufangen ist nicht einfach, da die Kerlchen auch in schwachem Zustand
ausgesprochen bissig und wehrhaft sind.
Scheucht man sie zurück ins Wasser, ist das ihr sicherer Tod. Nach dem Wintersturm
Barbara im Dezember 2016 zählte ich an nur einem Tag 11 tote Seehunde in allen Größen
an einem etwa zwei Kilometer langen Strand.
Belle hat Glück gehabt.
Wir hoffen, dass sie und all ihre Kameraden gesund und kräftig heranwachsen und wieder in
die Freiheit entlassen werden und bedanken uns bei den Helfern der seal rescue für ihre
Arbeit und Mühe.
Die seal rescue ist unter folgenden Rufnummern zu erreichen:
+353 87 1955393 (Mobil)
+353 53 9424980 (Festnetz)
So haben wir Belle gefunden.
Credit to Seal Rescue Ireland.